Tirols Landeshauptmann Günther Platter im Gespräch über die Bedeutung der Tourismuswirtschaft für sein Bundesland, die Unterstützung der Betriebe und den Generationenwechsel.
Herr Landeshauptmann, warum ist in Tirol der Tourismus Chefsache?
Günther Platter: Der Tourismus stellt eine zentrale Lebensader für unser Land dar. Dass der Tourismus im Ressort des Landeshauptmannes angesiedelt ist, unterstreicht diese Bedeutung noch zusätzlich. Die Tourismuswirtschaft kann sich auf mich verlassen.
Nach Auslaufen der staatlichen Hilfen, der Stundungen wird es für manche Tourismusbetriebe schwer. Sind Unterstützungsmaßnahmen des Landes geplant?
In Ergänzung zu den sehr umfangreichen Unterstützungsleistungen des Bundes haben wir schon vor einigen Monaten eigene Maßnahmenpakete geschnürt, um die Auswirkungen der Coronapandemie in unserem Land so gut es geht abzufedern – dazu zählen ein Sofort-Maßnahmenpaket im Umfang von 400 Millionen Euro sowie zwei Konjunkturpakete mit einem Volumen von 230 bzw. 169 Millionen Euro, die den Wirtschaftsstandort Tirol wieder in Schwung bringen sollen. Für die Tiroler Tourismusbetriebe hat das Land unter anderem eine Anschlussförderung und eine Internationalisierungsförderung aufgelegt, um den Start nach dieser monatelangen Krise zu erleichtern.
Ein hochwertiger Tourismus braucht beste Arbeitskräfte. Wie kann das Land Tirol bei der Mitarbeitersuche und dem Begeistern für die Branche unterstützen?
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Tourismus sind unser größtes Kapital und für die Tiroler Gastfreundschaft unabdingbar. Es ist daher unerlässlich, attraktive Rahmenbedingungen für die Branche zu schaffen, die von einer fairen Entlohnung über zeitgemäße Arbeitszeitmodelle bis hin zu adäquaten Mitarbeiterunterkünften reichen. Das Image der Tourismusbranche hat sich gegenüber früher bereits deutlich verbessert, es gibt aber sicher noch Potenzial, mehr junge Menschen für eine Ausbildung bzw. Tätigkeit im touristischen Bereich zu motivieren.
Beim Tyrol Tourism Board gibt es eine Neuaufstellung. Was bedeutet das bzw. welche Auswirkungen soll das auf die unterschiedlichen Ebenen und Gremien des Tiroler Tourismus haben?
So wie bei vielen Familienunternehmen in unserem Land findet auch beim Tyrol Tourism Board (TTB) ein Generationswechsel statt. Weil neue, junge Persönlichkeiten ganz automatisch neue Sichtweisen einbringen, geht mit diesem Generationswechsel auch eine strategische Weichenstellung einher. Die Mitglieder des TTB nehmen wichtige Aufgaben im Tiroler Tourismus wahr. In einem nächsten Schritt wollen wir nun weitere touristische Gremien wie etwa den Koordinationsausschuss Tourismus – kurz KAT – aufwerten und beleben.
Tourismus ist Job- und Wertschöpfungsmotor: Erkennen Sie nach Monaten des Lockdowns und der Krise ein steigendes Bewusstsein in der Bevölkerung für den Wert des Tourismus?
Kaum ein anderes Land war wirtschaftlich derart stark von der Coronapandemie betroffen wie das Tourismusland Land Tirol. Die Menschen haben den Stillstand im Tourismus hautnah miterlebt und gesehen, was der Totalausfall der Wintersaison für unser Land – insbesondere für unseren Arbeitsmarkt – bedeutet. Mit den Öffnungsschritten am 19. Mai war ein kollektives Aufatmen verbunden, in der Branche genauso wie bei den Tirolerinnen und Tirolern. Insgesamt haben wir es in Tirol mit dem Phänomen zu tun, dass die Wahrnehmung der Tourismuswirtschaft in einigen Bereichen nicht mehr ihrem tatsächlichen Stellenwert entspricht – das zeigen auch Erhebungen. Und deshalb sieht die neu formulierte Tourismusstrategie „Tiroler Weg“ auch einen Perspektivenwechsel vor. Der Erfolg des Tourismus wird künftig nicht mehr nur an wirtschaftlichen Kennzahlen wie Wertschöpfung und Bettenauslastung gemessen, sondern orientiert sich auch an gesellschaftlichen Messgrößen wie der Tourismuswahrnehmung, sozialen Faktoren wie der Mitarbeiterzufriedenheit und ökologischen Parametern wie dem Anteil regenerativer Energien. Der „Tiroler Weg“ sieht regionale und überregionale Dialogforen mit der Bevölkerung vor, um ein Verständnis für die unterschiedlichen Interessen zu schaffen und so Lösungen für komplexe Vorhaben und Projekte im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu finden.
Wie kann Tirols Tourismus noch nachhaltiger werden – nicht nur aus ökologischer Hinsicht?
Nachhaltigkeit ist einer der wesentlichsten Orientierungspunkte für die Tourismusentwicklung unseres Landes und nimmt deshalb bei der Neuausrichtung des Tiroler Wegs einen besonderen Stellenwert ein. Für einen nachhaltigen Tourismus sind klimaneutrale Skigebiete ebenso vorgesehen wie die Einführung institutionalisierter Nachhaltigkeitsstandards. Ein Fokus liegt auch auf der umweltverträglichen Anreise der Gäste sowie der Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Ich möchte im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit besonders die zahlreichen familiengeführten Tiroler Tourismusbetriebe hervorherben, deren generationenübergreifende Unternehmensstruktur nicht nur die Basis für einen authentischen und gastfreundlichen Tourismus bildet, sondern ein langfristiges und erfolgreiches Wirtschaften garantiert.
Mit der Nachtzugverbindung Amsterdam – Innsbruck gibt es ein zusätzliches Mobilitätsangebot. Verkehrslenkung ist eine zentrale Zukunftsfrage für Tirol. Welche Verkehrsmittel und Mobilitätslösungen will das Land in welcher Form fördern?
Im Tiroler Weg ist eine Verdoppelung des Anteils der öffentlichen Anreise bis 2035 als Ziel festgelegt. Außerdem wird bei der Vor-Ort-Mobilität bis 2035 eine 100%ige Nutzung regenerativer Antriebsformen angestrebt. Zur Erreichung dieser Vorgaben sollen unter anderem attraktive Kombiangebote (z.B. Nightjet zum Schnee) entwickelt und saisonale Bahn-Direktverbindungen ausgebaut werden.
Das Virus ist noch nicht besiegt, viele, aber bei weitem nicht alle Bürger wollen sich impfen lassen. Wie verhindern wir eine nächste Welle?
In den vergangenen Wochen hat sich eines ganz klar gezeigt: Nämlich, dass Impfen wirkt. Das Impfen ist der Schlüssel, um die Pandemie hinter uns zu lassen und zur gewohnten Normalität vor Corona zurückzukehren. Insofern muss es unser Ziel sein, dass sich so viele Bürgerinnen und Bürger wie möglich auch tatsächlich impfen lassen. Im Herbst bzw. Winter wird es wohl eine Auffrischung der Impfung benötigen, zugleich bleiben die Teststrukturen vorerst natürlich erhalten – damit alle, die einen Corona-Test brauchen, auch einen erhalten. Ich bin zuversichtlich, dass der kommende Herbst anders sein wird als der letztjährige und sich die Neuinfektionen in Grenzen halten werden.
Danke für das Gespräch.
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