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Österreich

Saisonkontingente werden abermals aufgestockt

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1.000 Plätze mehr für Saisonkontingente in Tourismus und Landwirtschaft, der Großteil wird dem Tourismus zugutekommen.

Aktuell umfasst dieses Kontingent österreichweit im Tourismus und in der Landwirtschaft in etwa 6.500 Saisonarbeitsplätze. Da beide Branchen mit einem eklatanten Personalmangel konfrontiert sind, erhöht Arbeitsminister Martin Kocher die Saisonkontingente per Verordnung um weitere 1.000 Plätze. Im Tourismuskontingent zeichnen sich derzeit deutlich größere Engpässe ab, daher wird der Großteil der Plätze dem Tourismus zufließen.

Die Saisonkontingente wurden in den vergangenen Jahren aufgrund des Arbeitskräftemangels kontinuierlich erhöht, erst im Sommer 2022 um zusätzliche 1.000 Plätze. "Mit weiteren 1.000 Saisonarbeitsplätzen können wir einen kleinen aber entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die Tourismusbetriebe in der bereits gut gebuchten Sommersaison ausreichend Personal finden", so Arbeitsminister Martin Kocher. Konkret werden die Saisonkontingente im Tourismus um 898 Plätze, von 3.389 auf 4.287 Plätze erhöht. In der Landwirtschaft beträgt die Erhöhung 102 Kontingentplätze (von bis dato 3.060 auf 3.162 Plätze).

Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler berichtet von einer aktuell ausgezeichneten Buchungslage aus den Hauptherkunftsmärkten, die Nachfrage aus den Fernmärkten ist ebenfalls sehr gut. "Wir gehen daher von einer guten Sommersaison aus", so Kraus-Winkler. "Mit der Aufstockung der Saisonkontingente können die Betriebe die Saisonspitzen nunmehr besser abdecken und die hohe Servicequalität unseres touristischen Angebots damit besser absichern."

ÖHV: Weg vom Stückwerk, hin zu einer neuen arbeitsmarktpolitischen Vision

Mehr Unterstützung durch Saisonniers erleichtert den Teams das Arbeiten, erklärt ÖHV-Präsident Walter Veit. Auf mittlere Sicht brauche es aber ein großes Umdenken. "Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen Branche haben sich im vergangene Jahr in einem gemeinsamen Kraftakt aus einem Allzeit-Tief emporgearbeitet. Die Kontingentserhöhung hilft uns und unseren Teams auf dem Weg zurück ganz nach oben", kommentiert Veit die jüngsten Maßnahmen der Regierung. 

So wichtig diese "Akutmaßnahme für den Tourismus" ist, eine arbeitsmarktpolitische Kehrtwende sieht Veit, selbst Hotelier in Obertauern, als unverzichtbar: "Wir müssen uns da von Grund auf neu aufstellen. Es fehlen ja überall Mitarbeiter:innen. Und das wird nicht besser – im Gegenteil", wünscht sich Veit eine neue arbeitsmarktpolitische Vision: "Aktuell reicht der Planungshorizont bis zum nächsten Saisonbeginn. Das können wir besser". Es brauce mehr Weitblick für den Tourismus, für Kindergärten und Schulen über die Apotheken bis hin zu den technischen Berufen.

Rahmenbedingungen weiter verbessern

"Die Aufstockung ist dringend notwendig und eine weitere wichtige Maßnahme im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel", begrüßt Robert Seeber, Obmann der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, diesen Schritt und unterstreicht: "Saisoniers sind ein unverzichtbarer Teil des touristischen Arbeitsmarktes. Wie sich bereits herauskristallisiert hat, fehlen im Tourismus mindestens 25.000 bis 30.000 Arbeitskräfte. Daher ist jede helfende Hand eine wertvolle und willkommene Unterstützung."

Im internationalen Wettbewerb um Arbeitskräfte sei es auch wichtig, das Potenzial von Drittstaatsaisoniers flexibel und bedarfsgerecht nützen zu können, appelliert Seeber an den Arbeitsminister, die Rahmenbedingungen noch weiter zu verbessern: Als Sofortmaßnahme wünscht er sich eine Öffnung der Saisonierkontingente, in Fällen, in denen der Bedarf nicht am regionalen Arbeitsmarkt gedeckt werden kann, sprich, wenn das sogenannte "Ersatzkraftverfahren" negativ verläuft. Zudem brauche es eine schnellere Erlangung des Status als Stammsaisonier durch Verkürzung der zeitlichen Bechäftigungsvoraussetzungen in den Vorjahren. Außerdem fordert die Wirtschaftskammer eine Erhöhung der Flexibilität durch Anhebung des Überziehungsprozentsatzes in Spitzenmonaten innerhalb des genehmigten Jahreskontingents von 50 % auf 80 %. Und nicht zuletzt sei eine Verlegung des Stichtages von 1. Jänner auf 1. Dezember für den Neubeginn eines Jahreskontingents angebracht.

Harsche Kritik der Gewerkschaft

Wie schon in den vergangenen Jahren sieht die Gewerkschaft erhöhte Saisonkontingente als Angriff auf die österreichischen Arbeitnehmer:innen. "Einerseits jammert die Wirtschaft über fehlende Arbeitskräfte, andererseits werden die Löhne durch Arbeitskräfte aus Billiglohnländern gedrückt", so Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida. Die Arbeitgeber seien schuld, dass zu viel Teilzeit und geringfügige Beschäftigung im Lande herrscht und zu wenig Vollzeit. Dazu kämen befristete Dienstverhältnisse, freie Dienstverträge, Leiharbeit und schlechte Bezahlung. "Die Branchen, die am meisten über fehlende Mitarbeiter:innen jammern, bieten die schlechtesten Bedingungen. Angeblich steigt der Preis bei einem Mangel am Markt. Ich sehe diese Preissteigerungen aber nicht. Entweder funktioniert der Markt nicht oder es gibt keinen Mangel", so Hebenstreit. 

Die Erhöhung des Saisonierkontingents passe "wie die Faust aufs Auge" zu den Vorwürfen, glaubt man bei der vida. "Die Regierung macht sich damit zum Komplizen der Lohndrücker in der Wirtschaft. Anstatt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, können Arbeitgeber weiter munter auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurückgreifen, wo das Lohnniveau deutlich niedriger ist als in Österreich. Hören Sie endlich auf, andauernd ganz offiziell Lohn- und Sozialdumping zu betreiben. Denn darum handelt es sich, wenn man bewusst Menschen aus Ländern mit niedrigerem Lohnniveau rekrutiert", sagt Hebenstreit.




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