Im Gespräch: Annette Mann – "Die Stimmu... Plus Artikel
 
Im Gespräch

Annette Mann – "Die Stimmung ist angespannt"

Martin Krachler
CEO Annette Mann – "Vom Passagieransturm waren wir per se nicht überrascht. Wir haben den Sommer nach bestem Wissen und Gewissen geplant."
CEO Annette Mann – "Vom Passagieransturm waren wir per se nicht überrascht. Wir haben den Sommer nach bestem Wissen und Gewissen geplant."

Die Luftfahrt hat es wahrlich nicht leicht. Nach zwei Jahren coronabedingter „Diät“ brummt das Geschäft endlich wieder. Aber so richtig freuen kann man sich über volle Flieger und gute Auslastungen leider nur bedingt, weil die große Personalnot bei Fluglinien und auf Flughäfen mit dem großen sommerlichen Reiseboom halt nur schwer kompatibel ist. Im Interview mit der ersten Vorstandsfrau von Austrian Airline, bezieht Annette Mann zur aktuellen Situation Stellung und wirft auch einen ersten vorsichtigen Blick in die Zukunft der rot-weiß-roten Lufthansa-Tochter.

traveller: Austrian Airlines musste zuletzt Corona-bedingt zahlreiche Flüge stornieren. Hat Sie das überrascht?

Annette Mann: Ja, weil wir uns auf diesen Sommer gut vorbereitet haben. Wir haben insgesamt 200 Flugbegleiter aufgenommen, weil uns sehr wichtig war, gut aufgestellt zu sein. Die Flug-Stornierungen sind 1:1 mit den Corona-Krankmeldungen entstanden und die konnten wir in dieser Wucht tatsächlich nicht voraussehen. Hätten wir die normale Krankheitsfall-Quote, gäbe es zumindest wegen Crew-Mangel keine Flugausfälle. 

Bei der IATA-Tagung in Doha zeigten sich zahlreiche Airline-Chefs vom gegenwärtigen Passagieransturm überrascht…

Vom Passagieransturm waren wir per se nicht überrascht. Uns war auch klar, dass die Sommerwochenenden sehr intensiv sind. Wir haben den Sommer nach bestem Wissen und Gewissen geplant, jeder Sommer ist ja irgendwie die Spitzenzeit unserer Industrie – wie in den früheren Sommern auch. Hier haben wir uns nichts vorzuwerfen. Dass wir dreistellige Corona-Fälle on Top zu den normalen Krankheitsfällen haben und dass dies so intensiv kommt, konnte niemand vorhersehen. Das kann man auch nicht so schnell innerhalb weniger Tagen abfangen. Wir fliegen im Sommerpeak mit einer Kapazität von 87 %, obwohl wir nur mehr 80 % der Flugzeugkapazität haben. Dabei fliegen wir überproportional viel Touristik. Austrian Airlines hat keine zusätzlichen Flugzeuge gemietet, aber wir haben zwei A320 aus dem sogenannten Deep-Storage rechtzeitig reaktiviert. Insgesamt haben wir 61 Flugzeuge im Einsatz. 

Zahlreiche Streiks beeinflussen den Sommerflugverkehr. Wie ist denn die Stimmung innerhalb der AUA?

Die Stimmung ist wie bei vielen anderen Airlines auch angespannt. Das ist auch nachvollziehbar, wir haben jetzt wieder volle Arbeitsbelastung in einem teilweise fast schon chaotischen System in Europa. Das belastet die Kollegen bei gleichzeitigem Gehaltsverzicht und hoher Inflationsrate. Wir haben angekündigt, dass wir viermal eine einmalige Zahlung von 500 Euro an jeden Mitarbeiter auszahlen, um etwas (wirtschaftlichen) Druck herauszunehmen. Ich gehe ich davon aus, dass es durch die konstruktive Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern keine Streiks und keine außerordentlichen Betriebsversammlungen bei Austrian Airlines gibt. 

Es gibt zahlreiche Einflüsse, die Fluglinien nicht beeinflussen können. Etwa den geschlossenen Luftraum über Russland. Wie geht es mit Asien weiter?

Es trifft uns konkret auf zwei Strecken und somit weniger als manch andere Airline. Und da wir geographisch schon etwas weiter südöstlich sind, hilft das auch etwas. Wir hatten schon vor der Corona-Krise ein überschaubares Asien-Streckennetz. Momentan fliegen wir nach Shanghai und Tokyo. Bei beiden Strecken geht es sich wirtschaftlich aus, da die Nachfrage, auch für Cargo, sehr hoch ist. Es wäre aber jetzt der Blick in die Glaskugel, wie es in einem oder zwei Jahren aussieht. Jedoch hat es natürlich Auswirkungen, wir benötigen mehr Kerosin und mehr Zeit. Zudem fliegen die Chinesen weiterhin über Russland nach Europa, wir nicht, das beeinflusst den Wettbewerb.

Preise für Flugtickets sind ja diesen Sommer bereits gestiegen, kurzfristige Buchungen sind teuer. Ist auch der Erlös pro Ticket gestiegen?

Ja, der ist gestiegen und es wird auch nicht anders gehen, um die AUA wieder in schwarze Zahlen zu bringen. Die AUA befand sich bereits vor der Corona-Krise in einem Restrukturierungsprozess, das Unternehmen ist kostenseitig gut aufgestellt. Wenn jetzt die Kosten etwa durch das Kerosin in solch einer Größenordnung steigen, habe ich intern keine Möglichkeiten mehr das abzufedern. Im Sommer bekommen wir das hin, höhere Preise einzunehmen – Fliegen wird nicht mehr so billig sein. Wir schaffen es jetzt, gut zu verdienen. Momentan sehen wir nicht, dass die gestiegenen Preise diesen Sommer zu einer verminderten Nachfrage geführt haben. Wir könnten sogar noch mehr Kapazität absetzen. In der kommenden Wintersaison werden wir schon frühzeitig wieder Warmwasserziele ins Streckennetz aufnehmen, weil wir sehen, dass es Nachfrage gibt.

Wird sich dieser Trend abschwächen, wenn man das erste Mal auf die Gasrechnung blickt?

Ich weiß es nicht, aber wir sind sehr aufmerksam. Auch hat sich die Dynamik der Billigairlines in Wien verändert. Aber die Wettbewerbsintensität bleibt in Wien hoch.  

Müssen Sie die Bilanz in Ordnung bringen?

Mein Vorgänger hat einen hervorragenden Job gemacht. Aber wir haben negatives Eigenkapital und müssen unsere Schulden zurückzahlen. 90 Millionen von 300 Millionen Euro sind jetzt erledigt. Wir haben positive Signale, dass der Geschäftsreiseverkehr wieder zurückkommt, Warmwasserziele im Winter erfahren eine gute Nachfrage. Wie rot die Bilanz-Zahlen werden, hängt vom Kerosinpreis ab und ich rechne nicht  mit einer Chance eines Gewinnes. Aber ich gehe davon aus,  dass wir in absehbarer Zeit wieder in die schwarzen Zahlen kommen.

Mit dem Airbus A320neo kommen nach langer Zeit wieder fabrikneue Flugzeuge zur AUA-Flotte …

Ich freue mich sehr, dass wir jetzt vier A320neo bekommen. Zum einen wegen der CO2 Bilanz als auch, weil sich der Lärmpegel um 50 % reduziert. Es ist auch kein Geheimnis, dass die AUA in diesem Jahrzehnt einen Langstrecken-Rollover benötigen wird, auch der wird sich positiv auf die CO2-Bilanz auswirken. Bei der Flotte wird in diesem Jahrzehnt noch viel passieren. Ich kann keinen Zeitplan nennen, aber es ist auch relativ normal, dass wir im Konzern Flugzeuge bis zu einem Alter von 30 Jahren fliegen. Aber neue Flugzeuge für die Langstrecke werden wir uns auch erstmal wieder finanziell leisten können. 

Die Langstreckenflotte umfasst neun Flugzeuge zwei verschiedener Typen. Wenn Condor die Boeing 767 Flotte außer Dienst stellt, hat Austrian die älteste Langstreckenflotte in Europa…

Deswegen auch die Aussage, dass in diesem Jahrzehnt noch etwas passieren wird. Und wenn wir diesen Rollover anstreben, dann auch mit einen einheitlichen Flottentyp, was uns dann auch bei der Effizienz helfen wird. Ich kann nicht genau sagen, wann das ist, der Flugzeugmarkt ist herausfordernd. Lufthansa denkt darüber nach, den A380 wieder zu reaktivieren. (Anmerkung der Redaktion: Lufthansa wird 2023 den A380 wieder in Dienst stellen, wie viele der acht Maschinen, ist noch offen.)

Das zeigt, wie knapp Flugzeuge und wie unzuverlässig Auslieferungstermine sind. Der Flugzeugmarkt ist volatil und komplex. Wir sind permanent mit dem Lufthansa-Flottenmanagement in Kontakt, wie für die AUA so ein Austausch aussehen könnte. 

Finnair vermietet Airbus A350 an Eurowings Discover. Wäre derartiges eine Übergangslösung für die Langstrecke?

Momentan hoffe ich, dass wir keine Übergangslösung benötigen. Auch eine Übergangslösung kostet viel Geld, eventuell muss man Personal umschulen usw. Unsere Priorität ist, eine langfristige Lösung zu finden. Sollte sich der Flugzeugmarkt komplizierter über die nächsten Jahre gestalten, dann vielleicht. Die AUA ist und bleibt die österreichische Netzwerk-Airline, mit einem Langstreckennetz und auch nicht unter neun Flugzeugen.

Gibt es eine Präferenz für einen Flugzeugtyp?

Ich bin für alles offen, am Ende muss es für die AUA stimmen. Das hängt von vielen Faktoren ab, Konfiguration und Größe. Vor allem, dass es nicht wieder verschiedenen Flugzeugtypen sind, welche die Komplexität vorantreiben. Und dass wir es finanziell stemmen können. Wir haben in Wien einen anderen Markt als SWISS in Zürich. Die Flotte ist leider nicht die jüngste, aber wir sehen keinen überproportionalen Anstieg bei den Wartungskosten. Zudem kaufen wir selbst keine neuen Flugzeuge, diese werden von Lufthansa geleast.  

Was ist die Spezialität der AUA im Lufthansa Konzern?

Im Konzern sind wir eine Airline, die operativ einen guten Job macht. Wir bringen zudem die Marktkompetenz für Osteuropa mit. Ein weiteres AUA-Thema ist der Bereich Hospitality und Gastfreundschaft. Und die Kompetenz im Bereich Touristik, da fragt dann auch der Konzern bei uns nach. Auch wenn unser Catering durch Corona gelitten hat, wir müssen jetzt wieder den Restaurant-Service auf der Langstrecke zurückbringen, also nicht nur einfach ein Tablett hinstellen. Wir hätten auch gerne bereits jetzt wieder die fliegenden Köche an Bord, aber auch da gibt es Personalknappheit. Ich hoffe, dass es 2023 soweit ist. Zudem werden wird Juli das Business Class-Produkt auf der Kurzstrecke umstellen. 

Vielen Dank für das Gespräch.

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