Ein Kommentar von Brigitte Charwat
Mit dem Tod von Elizabeth II ist das 20. Jahrhundert nun endgültig Geschichte, denn kein Monarch, kein Regent, kein Politiker prägte das „kurze Jahrhundert“ derart, wie die britische Königin mit 70 Jahren im „Job“ für Großbritannien, Nordirland und die Kronländer. Gerade auch touristisch hat sich die Welt in dieser besonderen Ära um 180 Grad verändert.
Was der britische Historiker Eric Hobsbawm, auch Ehrenbürger der Stadt Wien, als „kurzes 20. Jahrhundert“ definierte, führte von zwei Weltkriegen, einer Weltwirtschaftskrise und schrecklichen Diktatur über den Wiederaufbau bis zum Wirtschaftswunder, Vollbeschäftigung und Wohlstand und letztlich zum Fall von Mauern und kommunistischen Strukturen. Öffnete damit aber auch fast die ganze Welt und führte – zumindest für ein paar Jahrzehnte – zu einer mehr oder weniger grenzenlosen (Reise)Freiheit. Und eben dieses Zeitalter der Extreme und Umbrüche umfasste fast das ganze Leben von Elizabeth Alexandra Mary Windsor. Die mit ihren 96 Lebensjahren, davon 70 Jahre in den Diensten der britischen Krone, für Großbritannien, aber auch die Welt einfach nur „die Queen“ war und als solche zum Symbol für ein Jahrhundert, in dem sich eigentlich die ganze Welt veränderte, stand bzw. steht.
Abgesehen vom Ersten Weltkrieg, Elizabeth II wurde erst 1926 geboren, hat die Queen vom Zweiten Weltkrieg, dem Ende der Kolonialreiche und des Kalten Kriegs, von Perestroika und Glasnost, dem Fall der Berliner Mauer und einer neuen Weltordnung, der Gründung der Europäischen Union und dem später folgenden Brexit, dem Bau der Atombombe und von Atomkraftwerken, von Gentechnologie und der ersten Herztransplantation, vom Computer und der rasant voranschreitenden Automatisierung und Digitalisierung, von der ersten Mondlandung, von Zwölftonmusik bis Swing, Rock ’n’ Roll, Beat und Techno und quasi noch zum Drüberstreuen die Cororna-Pandemie, alles erlebt und durchgestanden. Egal, wann immer die Welt auch lachte oder weinte, die Queen war immer da und ein unverrückbarer Teil des weltpolitischen Geschehens.
Auch reisetechnisch hat sich im 20. Jahrhundert eigentlich alles verändert und Urlaube wurden blad auch für den kleinen Mann erschwinglich. Ab den 1950er Jahren avancierte Italien zum mediterranen Traumziel und zählt bis heute zu den beliebtesten sommerlichen Urlaubsorten rund ums Mittelmeer. Halt anders als damals, als man mit wenig Gepäck, aber unendlich großer Freude in der Luxus-Variante im eigenen VW oder einfacher im Zug mit Proviantdose im Sechser-Abteil Richtung Bella Italia fuhr. Die Reisekarawane begann rasch zu wachsen, spätestens mit der Boeing 747 – der "Jumbo" wurde 1970 offiziell in Dienst gestellt und fliegt noch immer - nahm die Luftfahrt Flug in Richtung Massentourismus auf und Reisen wurden nicht zuletzt dank Josef Neckermanns "Urlaubsform für Jedermann" für die ganz große breite Masse leistbar. 338 Deutsche Mark waren in den frühen 1970ern für14 Tage Mallorca mit Flug, Hotel und Vollpension zu bezahlen. Die Pauschalreise öffnete somit auch dem kleinen Mann das Tor in die mediterrane Urlaubswelt. Gerade Mallorca sollte bald zur ultimativen Party-Hochburg für eine feuchtfröhliche Urlaubsgestaltung, damit aber auch zum Sinnbild für das werden, was sich mit dem Beginn des Low-Cost-Zeitalters ein paar Jahre später Overtourism nennen wird und viele Destinationen touristisch damit fast kollabieren lässt.
»Tourismus braucht im 21. Jahrhundert kluge und vor allem nachhaltige Veränderungen.«
Worüber sich die Mallorquiner und andere beliebte Reiseziele lange Jahre freuten, passt nur nicht mehr in die heutige Zeit und zu einem nachhaltigen und bewussteren Tourismus. Also versucht man etwa auf der schönen Baleareninsel den Weg zurück zum Qualitätstourismus, in dem für Touristenmassen und billige Trinkgelage am Sonnenstrand kein Platz mehr ist. So einfach wird dieses Vorhaben nur leider gerade in Zeiten, da die Teuerung beginnt, die letzten Haare vom Kopf zu fressen und die Urlaubsbörsen immer dünner werden, nicht werden. Um aus den "billigen Ballermännern", die leicht gekleidet und entsprechend vorgeglüht in Massen im Billig-Flieger andüsen, eine Klientel mit hohen Ansprüchen und dicken Börsen zu machen.
Dieser Weg ist notwendig und nicht verkehrt, denn Tourismus braucht im 21. Jahrhundert kluge und vor allem nachhaltige Veränderungen. Ob aus Mallorcas Tourismusstrategie ein nachhaltiger Trend wird, der auch für andere vom Massentourismus geplagte Destinationen richtungsweisend sein kann, wird sich sicher noch in diesem Jahrhundert zeigen. Damit der Tourismus das bleibt, was er im 20. Jahrhundert begann zu werden: einer der am schnellsten wachsenden globalen Wirtschaftszweige und sicherer Arbeitsplatzgeber für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt.
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