Immer mehr Staaten ziehen das Sicherheitsnetz enger und reduzieren von 3 auf 1 G. Ob’s gefällt oder nicht, die Impfung ist alternativlos. Außer man steht auf weitere Lockdowns und ein einsames Leben in einer kaputten Wirtschaft. Ein Kommentar von Brigitte Charwat.
Als die australische Qantas bereits im November 2020 – also zu einem Zeitpunkt, als wir hierzulande gerademal mit der Massentesterei begonnen haben – mit einer Impfpflicht für Reisende auf ihren Interkontinentalflügen aufhorchen ließ, rümpften nahezu alle fliegenden Marktbegleiter ob dieses Ansinnens distanzierend die Nase. Derartiges, so beispielsweise die Reaktion des Deutschen Kranichs, sei auf Lufthansaflügen nicht denkbar. Nun, nicht ganz ein Jahr, zwei Lockdowns und eine sich gerade aufbauende vierte Welle später, gelten Qantas oder auch der deutsche Reisekonzern alltours – der ebenfalls im heurigen frühen Frühjahr verkündete, in seinen allsun Hotels nur noch geimpfte Gäste von vollgeimpften Mitarbeitern betreuen zu lassen – mit ihrer Impfpflicht nicht mehr als Außenseitern. Von Air Canada über SWISS bis zu Kreuzfahrtunternehmen wie etwa Norwegian Cruise Line, Hapag-Lloyd Cruises oder TUI Cruises setzen immer mehr touristischen Unternehmen und Hotelbetriebe auf 1G, wie auch immer mehr Länder Reisenden nur mit vollständiger Impfung entspannte Urlaubstage am sonnigen Traumstrand – meist auch noch in Kombination mit einer Sicherheits-Quarantäne in sogenannten „Resort Bubble Hotels“, gewähren.
Und auch die Deutsche Lufthansa ventiliert in Anbetracht der Tatsache, dass eben viele Länder Crews nur noch gegen einen entsprechenden Impfnachweis einreisen lassen, eine „Impfpflicht“ für Mitarbeiter. Was jedoch ein schwierigeres Unterfangen ist, da in Deutschland für derartige Pflichtmaßnahmen die gesetzlichen Grundlagen fehlen und man auch keine „Rasenmäher“-Entscheidung treffen möchte. Jedoch, und das zeigt klar, wie man im Konzern und wohl mehrheitlich in der ganzen Touristik um die Alternativlosigkeit zur Impfung weiß: Bei Lufthansa steht man in engem Austausch mit den Personalvertretern – eine Konsenslösung im Sinne aller lautet das erklärte Ziel. So auch bei Austrian Airlines, wobei die österreichische Tochter mit einer rd. 90-prozentigen Durchimpfungsrate aller Mitarbeiter – im Bord- und Crewbereich liegt man bereits bei einer nahezu ebenso hohen Quote – schon sehr gut unterwegs ist. Und was die aktuell noch rd. zehn Prozent ungeimpften Mitarbeiter betrifft, will und wird man dem staff nicht mit „Zwang“ an den Oberarm gehen, sondern sucht auch hier gemeinsam mit dem Betriebsrat nach entsprechenden Vereinbarungen.
Denn, worum geht’s? Sicher nicht um einen Kampf der Geimpften gegen Ungeimpfte. Es geht ausschließlich um höchstmögliche Sicherheit für Flug- und Urlaubsgäste, natürlich um eine rasche und vor allem nachhaltige Rückkehr in das, was wir „normalen Alltag“ nennen, mit der auch eine nachhaltige Stabilisierung der Wirtschaftslage und Arbeitsmarkt- und Arbeitsplatzsituation einhergeht. Und, auch wenn’s viele nicht hören wollen oder noch immer nicht verstehen (wollen), hierfür ist das Jaukerl halt das zurzeit einzig probate Mittel. Was, wenn bald nur mehr ein aktiver Impfstatus der Freibrief fürs Reisen sein wird, im Umkehrschluss bedeutet, dass es für all jene, die bis dato weder Zeit noch Lust fürs Spritzerl hatten oder, wie es der deutsche Philosoph, Richard David Precht im Ö3-Interview (oe3.orf.at/stories/3017596/) treffend formulierte, einfach aus Trotz gegen alles, was zur Pandemiebekämpfung vom Staat kommt, und mit dem ewigen Verweis auf das Recht auf Freiheit reagieren, die Welt eine sehr überschaubare wird. Schwer vorstellbar, dass das gewollt ist, ebenso wenig, wie diese Gruppe Andersdenkender nicht davon ausgehen kann, die große geimpfte Mehrheit in Sippenhaftung zu nehmen.
Ein weiterer Lockdown – der bereits an all unsere Türen klopft – verbunden mit dem großen Risiko, dass die bevorstehende Wintersaison abermals zu einer Nullnummer wird, kann nicht Teil der Lösung sein. Teil der Lösung, neben der Impfung, ist, „dass es in unseren liberalen Demokratien für uns Menschen nicht nur Rechte, sondern eben auch Pflichten gibt und es auch um Selbstverpflichtung geht. Dass man von sich aus das Gefühl hat, einen Beitrag zu leisten und nicht einfach nur in eine Erwartungshaltung dem Staat gegenübertritt. So, als sei man dessen Kunde,“ sagt Precht im Ö3-Gespräch. Was er meint, nennt sich Solidarität der Gesellschaft, und hier vor allem den Schwachen, gegenüber. Und die, sagt Precht, kann man einem Bürger schon zutrauen. Eine generelle Impfpflicht ist für den Popstar unter den deutschen Psychologen übrigens völlig undenkbar, weil man Menschen mit unterschiedlichen Gefährdungssituationen nicht mit der gleichen Maßnahme in die Pflicht nehmen kann. Was jedoch nichts an der Wichtigkeit der Impfung ändert.
Für die sprechen sich auch die Vertreter von ÖRV, ÖVT und des Fachverbandes der Reisebüros in der WKO, Eva Buzzi, Phillies Ramberger und Gregor Kadanka aus. Weil man damit nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern, weil mit der Impfung alles – unser aller Leben und im Falle von Reisen eben das Reisen an sich – einfacher wird. Und das ist doch, was wir alle sehnlichst wollen, oder?
(Von Brigitte Charwat; b.charwat@manstein.at)