Mittlerweile reicht es sogar den gelassensten Unternehmern, wie von der Regierung abwärts mit Corona umgegangen wird. Das Problem liegt in den Ämtern und dem wuchernden Bürokratismus. Ein Kommentar von Axel Schimmel.
Es ist inzwischen so, dass ich pro Tag sicher zwei bis drei Telefonate führe, in denen ich Unternehmern gut zurede. Der Unterschied zu vor Weihnachten ist, ich versuche bei denen Zuversicht zu verbreiten, die mir als toughe, erfolgreiche Wirte und Hoteliers bekannt sind, die so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Nicht selten sind sie auch mit einem finanziell soliden Background ausgestattet. Also alles in Butter, sozusagen. Auch während Corona demonstrierten sie Gelassenheit. Aber sogar diese Gruppe wird schön langsam unrund.
„Wir wollen keine Förderung, wir wollen arbeiten“
Vor wenigen Tagen hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer Hotelière. Ihr Betrieb liegt haarscharf an der Grenze zwischen Oberösterreich und Salzburg: 45 Zimmer, darunter meist Suiten, 4-Sterne-S, ein riesiges Erholungs- und Sportangebot in- wie outdoor eine tolle Gastronomie und Mitarbeiter, die fast schon wie Familienmitglieder behandelt werden. Wie eine unaufgeforderte Bestätigung legt sie nach: „Alle befinden sich in Kurzarbeit, niemand wurde gekündigt.“ Als das Thema um Corona kreist, bricht es aus ihr heraus: „Ich will keine Förderungen, wir wollen arbeiten!“ Als Mensch, der Probleme anpackt und sie nicht aussitzt, wollte sie nicht nur die Mitarbeiter im Hotel testen, sondern auch deren Angehörige. Darf sie nicht. Wenn sie ihre Leute lieber in die Apotheke auf Salzburger Landesgebiet zum Testen schicken will: darf sie nicht, muss in Oberösterreich, dem Landesgebiet des Hotels sein. Interessant ist nur: Als die Leute trotzdem zum Testen ins „Feindesland“ gefahren sind, hat niemand ein Wort gesagt.
Es scheint, beim Impfen tut jeder was er will
Und dabei reden wir noch gar nicht vom Impfen. Da tut, so scheint es, landauf landab sowieso jeder was er will. Ich kenne mittlerweile mehr jüngere Menschen als mich (Jahrgang 1964), die bereits geimpft sind und viele über 80-Jährige, die es noch nicht sind. Die sogenannte „Priorisierung“ wird mit haarsträubenden Argumenten ausgehebelt. Plötzlich „pflegen“ jüngere Angehörige die älteren, falls jemand im Haushalt schwanger ist, wird sowieso nicht mehr nachgefragt und sofort geimpft. Auf wundersame Weise bleiben in allerlei Institutionen – vom Altersheim bis zum Roten Kreuz – immer häufiger Impfdosen „über“, die dann eben an die nächsten Angehörigen verimpft werden, da spielt der Vorrang dann eine untergeordnete bis gar keine Rolle mehr. Das sind alles Auswüchse eines Bürokratismus, von Ämtern auf Landesebene bis hinunter in die Gemeindestube, der vermutlich nicht mehr abgestellt werden kann. Und das Beste: Jede Körperschaft „interpretiert“ Verordnungen und Gesetze genau so, wie es einem eben in den Kram passt.
Bei einem kürzlich begangenen 80. Geburtstag erzählte mir die Jubilarin, sie erhielt von drei Politikern ein Gratulationsschreiben: vom Altlandeshauptmann, der idealerweise jetzt Chef des Seniorenbundes ist; vom aktuellen Landeshauptmann und von der Soziallandesrätin. Die Briefe flatterten innerhalb eines Monats herein. Es ist also alles da, alle Daten der Bürger sind evident und der Datenschutz ist offensichtlich auch kein Problem. Warum die Frau bislang noch kein Schreiben oder gar einen Impftermin vorgeschlagen bekam, weiß niemand. Dabei ginge so leicht. Aber nicht in Österreich.
Verwaltung als unreformierbarer Moloch
Wenn nun manche Politiker auf beleidigte Leberwurst spielen, sollten sie sich mal die Leistung in der Coronakrisen-Bekämpfung anschauen und nicht darüber jammern, dass die öffentliche Debatte darüber immer angriffiger wird. Viele Monate wurden vertan, viele Fehler gemacht, viele Versprechen gebrochen. Der eigentliche Grund aber, warum Österreich gerade in ein Schlamassel aus weiteren Öffnungen und zugleich weiteren Infektionen hineingerät, muss in der Krake, bestehend aus Föderalismus und Bürokratismus, gesucht werden. Und vielleicht sollte man sich einfach eingestehen wie unreformierbar dieser Moloch ist, zumindest wenn man keinen Bürgerkrieg provozieren will. Wir werden uns also weiter mit jeder Menge Frustration und haarsträubenden Konstellationen abfinden müssen.
So häufen sich Fälle des Missmanagements, die dazu führen, dass die Österreicher mittlerweile fast schon neidvoll anerkennen müssen, wie viel effizienter selbst frühere Corona-Problemländer wie Großbritannien oder die USA aus der Krise kommen, von Israel oder Chile ganz abgesehen.
Dem Beamtenstaat ist bisher verborgen geblieben, dass mit der technologischen Entwicklung ganz andere Herausforderungen auf die Verwaltung zukommen. In Zeiten der Digitalisierung ist so viel Transparenz, Vernetzung und Geschwindigkeit möglich wie nie, was andere Staaten bereits so eifrig nutzen, sodass die analoge Behäbigkeit hier erst recht auffällt. Beamte sind darauf gedrillt, gründlich, sorgfältig, rechtssicher und das heißt: langsam zu arbeiten. Lieber ein Formular ausfüllen, als einfach mal loszulegen. Oder auf Selbstinterpretation verlassen und Nichtberechtigte impfen. In der aktuellen Notlage wenden sich die Verwaltungsprinzipien genau gegen die, denen sie dienen soll. Die Verwaltung ist das viel schlimmere Virus dieser Krise.
Früher endete der Radweg auch an der Landesgrenze
Was mich wieder zu der eingangs zitierten Hotelière bringt. Die exponierte Lage ihres Hotels steht sinnbildlich für eine Entwicklung, die der Tourismus bereits hinter sich hat. „Früher endete der Radweg gleich hinter dem Haus, exakt an der Landesgrenze“, meint die Unternehmerin fast schon spöttisch. „Das ist aber lange her.“ Mittlerweile gibt es landesübergreifende Prospekte, Projekte und Packages. Und die beziehen sich keinesfalls mehr auf Radtourismus. Das Gleiche gilt für Golfspieler und andere Neigungsgruppen. Obwohl Resignation angebracht scheint, ist Besserung doch möglich. Wir wollen es hoffen.