Das Bundesheer sagt den Lebensmittelabfällen den Kampf an. Anlässlich einer Tagung in der Salzburger Schwarzenberg-Kaserne wurde der offizielle Kick-off gegeben.
Die Verpflegung der österreichischen Landesverteidigung ist permanenten Veränderungsprozessen unterworfen. Allein schon aus den Parametern Personal- und Budgetmangel sind Reformen, meist in Form von Straffungen oder Zentralisierungen, unausweichlich. Aktuell befindet sich Österreichs Truppenverpflegung in einem massiven Umbruch, der bereits vor Jahren initiiert wurde, allerdings mangels Geld ins Stocken geraten ist. Kern der Reform: Umstellung von Frischküche auf Cook & Chill. Vier Zentralküchen gibt es bereits, die allesamt in der Ostregion angesiedelt sind und auch an externe Outlets liefern. Je weiter westlich man kommt, desto mehr Frischküchen gibt es noch. Erst vor wenigen Wochen erfolgte in der Salzburger Schwarzenberg-Kaserne der Spatenstich für eine fünfte Zentralküche. Von insgesamt 88 Heeresküchen sind 58 Finalisierungsküchen, in denen das Essen für die Militaristen regeneriert wird. Der Rest betreibt Cook & Serve. Täglich werden beim Bundesheer zwischen 12.000 und 13.000 Essen gekocht.
1.200 Tonnen Lebensmittelabfälle pro Jahr
Ungeachtet dieser langwierigen Umstellung fallen in den heimischen Truppenküchen pro Jahr 1.200 Tonnen Lebensmittelabfälle an. Und genau diesem Berg sagt man jetzt den Kampf an. In der Heeresleitung sind die Direktionen für Digitalisierung und Logistik mit dieser Thematik befasst. Hermann Kaponig, Generalmajor und Chef der Direktion für Digitalisierung und Cybersicherheit, ließ keinen Zweifel am Reformwillen, wie er im Eröffnungsstatement klarmachte: „Im Sinne einer nachhaltigen Verpflegung ist jede Tonne Lebensmittelabfall zu viel und wir werden dagegen vorgehen, müssen aber auch den besonderen Bedürfnissen des Bundesheeres Rechnung tragen. Das heißt, die Datenhoheit muss ausnahmslos beim Heer verbleiben und von uns als kostbares Gut geschützt werden.“
Christine Hochholdinger vom Klimaschutzministerium steckte den politischen Rahmen ab: „In der UN-Agenda ist die Reduktion dieser Abfälle auf die Hälfte bis 2030 festgeschrieben. Die EU-Abfallrahmenrichtlinie sieht bis 2025 eine Reduktion bereits um 30 Prozent vor. Das halte ich für ein sehr ambitioniertes Ziel.“
Verlässliche Daten fehlen
Hochholdinger gab auch einen Überblick zu den mannigfaltigen Abfallarten und der schwierigen Erhebung der Daten, die die Häufung der Lebensmittelabfälle aussagekräftig zusammenfassen. Ein entscheidender Hebel zur Eindämmung liegt bei den sogenannten „vermeidbaren Abfällen“, die zum Teil in der Zubereitung entstehen, aber in viel größerer Menge durch Überproduktion fertiger Gerichte und Mahlzeiten anfallen. Die Speisereste auf den Tellern, die nicht aufgegessen werden, bilden den dritten großen Brocken dieser Kategorie. Die Schwierigkeit der Datenerhebung bei Lebensmittelabfällen bestätigt der Rechnungshof, der in einer Untersuchung vom Mai dieses Jahres ermittelte: „… systemisch und umfassend erhobenen Zahlen über das tatsächliche Ausmaß fehlen hierzulande …“ Aufgrund dieser Tatsache ist auch nicht messbar, ob die gesteckten Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. Der Rechnungshof beziffert die jährliche Menge an Lebensmittelabfällen mit knapp 800.000 Tonnen. Das größte Problem ergibt sich laut Hochholdinger beim Restmüll, in dem pro Jahr 229.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle landen. Problematisch sei laut der Ministerialrätin auch die Gemeinschaftsverpflegung, die pro Jahr 61.000 Tonnen Speisereste produziere.
Vielfältige Stellschrauben
Auf vielfältige Möglichkeiten zur Vermeidung machte Wissenschaftlerin Felicitas Schneider aufmerksam und erwähnte Frühstücksbuffets von Hotels, die bei gecoachten Feldversuchen von Betrieben berichtete, die innerhalb von drei Jahren die Abfallmengen um knapp 50 Prozent verringern konnten. „Oft reicht alleine schon das Faktum, dass das untersucht wird und schon werden die Reste weniger“, so Schneider. Die Aufmerksamkeit bei der Zubereitung steigt, es gibt einen sorgsameren Umgang mit Zutaten und stärkeren Bezug zum Produkt.
Peter Nowak von der Heereslogistik-Direktion erläuterte unter anderem den wirtschaftlichen Aspekt: „Bei einem Einkaufsvolumen von 18 Millionen Euro könnte das Heer ohne Lebensmittelabfälle drei Millionen Euro einsparen.“
Zauberwort LoRaWAN
An diesem Punkt setzte dann Tagungs-Mitorganisator und Heeres-Digitalisierungs-Experte Rupert Fritzenwallner ein: „Um dieses Problem in den Griff zu kriegen, muss eine dem Heer entsprechende ganzheitliche Prozessstruktur geschaffen werden. Wir haben das bereits in den Kasernen bei der Zutrittskontrolle und Bezahlung in den Kantinen umgesetzt und werden das auch bei den Lebensmittabfällen schaffen. Fritzenwallner denkt dabei an die Errichtung von sogenannten LoRaWANs, die sich ungefähr so übersetzen lassen: Long Range Wide Area Networks sind drahtlose Netzprotokolle, die am Ort des Geschehens aufgezeichnet werden. Das heißt, das Wiegeprotokoll einer mit einem Sensor ausgestatteten Biotonne oder ein Sensor in einem Nassmülltank, der den Befüllungsgrad anzeigt. Aber – und Fritzenwallner denkt da bereits weiter – es soll in den Kantinen künftig auch Qualitätsampeln geben, auf denen die Kunden = Verpflegsteilnehmer unmittelbar und auf einfachste Weise ein Feedback über die Qualität des Essens abgeben können.
Diese verschlüsselten Daten werden dann in das heereseigene Gesamtsystem transferiert, woraus sich dann Schlüsse ziehen lassen, was gepasst hat und was nicht. Die LoRaWANs kommunizieren über eine Funkfrequenz, weshalb auch große Distanzen keine Rolle spielen. Zum Einsatz kommen dieses Systeme bereits bei der permanenten Vermessung von Gletschern, um die Schmelze zu dokumentieren oder auch im Verkehrssektor von Ballungszentren, wo freie Parkplätze angezeigt werden.
Im konkreten Fall des Bundesheeres heißt das: künftig jene Stellen, an denen Lebensmittel anfallen mit Sensoren und Wiegetechnik auszustatten und die Daten strukturiert, streng geschützt und permanent zu erheben und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Das klingt fast so ambitioniert wie das EU-Ziel, aber, so Generalmajor Kaponig in seinen Ausführungen: „Der Mensch ist bereit sich zu verändern.“ Nachsatz: „Wenn er muss.“