In einer weiteren Lektion des Home-Schoolings der Sommeliervereine Oberösterreichs und Salzburgs ging es um die Weine Israels und des Libanons. Eine spannende Sache.
Wein aus dem Nahen Osten rückt nicht unbedingt in die erste Reihe, wenn es um die adäquate Begleitung eines Essens im Restaurant geht. Dafür sind die Anbauländer Israel und Libanon zu klein und unbedeutend. Gerade mal 5500 (von insgesamt 8000) Hektar stehen in Israel in Ertrag, das ist ungefähr die Rebfläche der Steiermark. Im Libanon sind es mit 9100 Hektar nicht ganz doppelt so viel.
Während sich der qualitativ relevante Weinanbau des Libanons grosso modo auf die Bekaa Ebene, rund 50 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Beirut eingrenzen lässt, präsentiert sich in Israel ein heterogenes Bild. Die besten Lagen gedeihen an den Hängen der Judean Hills, eine halbe Autostunde westlich von Jerusalem gelegen. Aber es gibt auch nennenswerte Anbaugebiete weiter südlich Richtung Negev Wüste, und ganz nördlich im besetzten Gebiet der Golan Höhen (die völkerrechtlich zu Syrien gehören, aber seit dem Sechs-Tage-Krieg von Israel besetzt sind) wachsen ebenfalls Rebsorten von formidabler Güte.
Weinbau im Aufwind
Weinbau hatte es in den von Glaubens- und Religionskriegen gebeutelten Ländern noch nie leicht. Dass es in der Bekaa-Ebene in Weingärten zu Granateinschlägen kommt, ist schon vorgekommen. Außerdem muss sich der Wein die Flächen mit dem weltgrößten Flüchtlingslager teilen. Im 7-Millionen-Einwohner-Land Libanon wurden in der Bekaa-Ebene 1,5 Millionen Syrer angesiedelt. In Israel wiederum steht der Weinbau im Spannungsfeld des Judentums (Stichwort koscherer Wein) und einem in agrarischer Hinsicht vollkommen auf High-Tech getrimmten global Player. Der Saatgutentwickler „Hareza“ ist Weltmarktführer für Tomatensamen und beansprucht in der Negev-Wüste tausende Hektar für Versuchsanbau. Welche Tomaten wir essen entscheidet sich somit nicht in holländischen Glashäusern, sondern in Israel.
Der Weinbau ist ein kleines, aber behütetes Pflänzchen, das ideale klimatische Bedingungen vorfindet. In den Mittelmeerländern ist Sonne und Wärme eher ein Problem des zu viel, weshalb sich die Rebzeilen in Höhen zwischen 800 und 1200 Metern vorfinden. Das führt zu teils beträchtlichen (und gewollten) Unterschieden zwischen den Tag- und Nachttemperaturen. Diese daraus resultierende „Coolness“ – eine anscheinend am Gaumen nachvollziehbare „Kühle“ – wird in Degustationen immer und immer wieder ins Treffen geführt, bei Weiß klarerweise und bei Rot ebenso. Die Zusammensetzung der Böden dominiert Kalkgestein, das auf das frühgeschichtliche Urmeer zurückzuführen ist. Versteinerungen von Muscheln und anderem Meeresgetiers lassen sich in den Rebgärten reihenweise finden. In den judäischen Bergen bedeckt eine stark eisenhältige Schicht aus Rotlehm – auch Terra Rosso genannt – das Gestein. Auf den Golan Höhen wiederum überwiegt Vulkangestein.
Rothschild als Wegbereiter
Der moderne Weinbau Israels (die Weingeschichte reicht 8000 Jahre zurück) geht auf niemanden Geringeren als Baron Rothschild (Château Lafite) zurück, der das Pouvoir seiner Muttererde nicht nur erkannte, sondern auch kultivierte. Allerdings mit allen Attributen der „Neue-Welt-Weine“. Es gibt keine autochtonen Rebsorten, außer zwei, die ausgerechnet in den palästinensischen Gebieten gedeihen. Einflüsse Frankreichs, Italiens, Südafrikas und Kaliforniens sind in Kultivierung und Vinifizierung unumstößlich. Auch die koschere Weinproduktion rückt immer mehr in den Hintergrund. Ein Rabbi überwacht dafür sämtliche Werkzeuge auf ihre den Riten entsprechende Reinigung; die Trauben dürfen erst ab dem vierten Jahr im Ertrag zu Wein werden; tierische Schönungsmittel wie Gelatine sind verboten und im siebten Jahr „ruht“ der Weingarten, es darf also kein Wein gemacht werden. Rund die Hälfte des israelischen Weins wird koscher erzeugt mit sinkender Tendenz. Der Heimatmarkt und die USA sind die wichtigsten Absatzmärkte für koscheren Wein.
Nische mit Selbstbewusstsein
Heutige Winzer pfeifen auf überkommene, religiöse Regeln und machen Wein wie es ihnen passt. Sie haben in Beaune oder Kalifornien Önologie studiert, kehren in die Heimat zurück und wollen weinmäßig etwas bewegen – qualitativ wohlgemerkt und keine tradierten Bräuche pflegen. Auf diese Weise entstanden rund 300 kleine bis Kleinstweingüter, auch Boutique-Weingüter genannt. Gut die Hälfte der Menge des Landes entfällt aber auf lediglich fünf Weingüter. Die vier Top-Winzer der Region Judean Hills hingegen sind Boutique-Weingüter, die gemeinsam weniger als ein Prozent der Menge Israels erzeugen, allerdings qualitativ die Pace vorgeben. Zusammengefasst in die Kooperation „Judean Hills Quartett“, werden sie allesamt in Österreich von der Schlumberger Vertriebstochter Mounier vertrieben. Vertriebsleiter Eugen Lamprecht im Gespräch mit Stammgast.Online: „Diese Weine sind eine kleine Nische, ganz klar, aber wir stehen trotzdem voll dahinter, weil es sich um eine aufstrebende Region handelt, von der wir in Zukunft noch viel hören werden. Die Marktbedeutung ist überschaubar, allein schon wegen der Menge, aber Opinion Leader wie Sommeliers zählen hier für uns zur Zielgruppe. Das ist auch ein Grund, weshalb wir dieses Home-Schooling des Sommeliervereins mit Kostproben gerne unterstützen.“
Der Platzhirsch im Libanon ist Weinbaulegende Gaston Honchar, dessen Weingut, das „Château Musar“, seit 1930 besteht. Musar-Weine sind in Österreich beim Weinhandelshaus Getränke Wagner in Laakirchen erhältlich.
Eines haben beide Länder von Beginn an richtig gemacht: Mit Preisen, die doppelt so hoch oder noch höher angesiedelt sind als heimische Provenienzen sollten sich österreichische Winzer Gedanken machen. Noch dazu bei reziprokem Qualitätsverlauf.
Degustationsnotizen:
1. Tzora Judean Hills Blanc 2018, 13,5 Vol.%, Israel, Judean Hills, (75% Chardonnay, 25% Sauvignon blanc), die Nase bringt viel Exotik, Würzigkeit und „Kühle“ zum Vorschein: gelbe Äpfel, Exotik, Nadelholz, Rosmarin, etwas Banane; am Gaumen bildet eine straffe Säure den soliden Untergrund für feinziselierte Aromen nach Kernobst und kühlen Ausläufern nach trockenen Kräutern; keine Malolaktik; Preis (gastro, netto): 28,04 Euro, www.tzoravineyards.com
2. Sphera White Signature 2018, 13,5 Vol.%, Israel, Judean Hills, (80% Chenin blanc, 20% Chardonnay), öffnet sich im Duft langsam wie eine Blüte: Apfel (Gala), frisch angeschnittene Melone, animierend; bringt bei aller Mineralik harmonischen Schmelz auf die Zunge, zeigt einen schönen, ansteigenden Verlauf mit Steinobsttönen, burgundischem Geschmack und ausdauernder Länge. Preis (gastro, netto): 37,94 Euro; www.spherawinery.com
3. Château Musar White 2014, 12 Vol.%, Libanon, Bekaa Valley (50% Obaideh – verwandt mit Chardonnay und 50% Merwah – verwandt mit Sémillon), nachhaltiger Medizinalton im Duft, mit schöner Freigabe von Duftnoten nach Kräutern, exotischen Früchten und reifen Birnen; forscher Antritt im Gaumen mit Spiel nach gelben Früchten, erinnert etwas an Südafrika oder weißen Rioja; Preis (gastro, netto): 28 Euro; www.chateaumusar.com
4. Flam Classico 2017, 14 Vol.%, Israel, Judean Hills, (33% Cabernet Sauvignon, 33% Merlot, 16% Syrah, 7% Cabernet Franc, 7% Petit Verdot, 4% Malbec); braucht Luft, öffnet sich nach und nach im Bukett nach dunklen Beeren, Schokolade, süßliche Gewürze wie Zimt oder Nelken; zeigt am Gaumen eine verspielte Leichtigkeit, ohne jedoch dünn zu wirken, öffnet immer neue Facetten und hat eine tolle Aromatik; idealer Speisenbegleiter und echter Genusswein. Preis (gastro, netto): 19,83 Euro; www.flamwinery.com
5. Petit Castel 2017, 14,5 Vol.%, Israel, Judean Hills, (50% Cabernet Sauvignon, 45% Merlot sowie Petit Verdot, Cabernet Franc und Malbec); der Zweitwein der Domaine du Castel präsentiert sich schmeichelhaft im Duft mit Spuren nach Cassis, etwas Tabak und frische Minze; nicht überladen am Gaumen, frisch, saftig, fleischig, mit polierten Tanninen, schöner Harmonie und guter Länge. Preis (gastro, netto): 25,21Euro; www.castel.co.il
6. Château Musar Red 2015, 14 Vol.%, Libanon, Bekaa Valley, (Cabernet Sauvignon, Cinsaut, Carignan); in der Nase eine schön ausbalancierte Dörraromatik nach Darjeeling, Hagebutte, reife Pflaumen, etwas Tamarinde; tritt harmonisch am Gaumen auf mit etwas Sauerkirsche und Zimt an den Rändern, versprüht insgesamt viel Charme und klingt ebenso spaßvoll aus; Preis (gastro, netto): 29 Euro; www.chateaumusar.com